Immer mal wieder kommt man als Kerl in die Lage, dass man nach seinem Lieblingsauto gefragt wird. Das ist ebenso, wie die Frage nach dem liebsten Fußballverein. Nun, wenn man einmal die Kategorie der Filmfahrzeuge, und damit so großartige Konstruktionen, wie diverse Batmobile, K.I.T.T. oder den ECTO-1 ausklammert, kann ich auf die Frage nicht adäquat antworten. Ich gebe zu, ich mag die Ästhetik mancher sogenannter Muscle Cars, wie einem Ford Mustang, einem Dodge Challenger oder einem Chevrolet Camaro, durchaus, aber deswegen von Lieblingsauto zu reden, finde ich absurd.
Was man hingegen niemals gefragt wird: Was ist denn dein Lieblingszug, deine Lieblingslok? Und selbst unter Bahnangestellten habe ich mit einer entsprechenden Aussage durchaus für unverständliches Gemurmel sorgen können. Insbesondere, wenn man von aktuelleren Modellen redet und romantischen Dampflokassoziationen damit den Riegel vorschiebt.
Wann immer ich während meiner Promotion an die Uni nach Dresden fahren musste, gab es lange nur eine sinnvolle Möglichkeit: Die Direktverbindung des EuroCity, der alle zwei Stunden zwischen Hamburg und Prag (bzw. Budapest) via Berlin und Dresden verkehrt. Und diese Züge werden gezogen von einer Schönheit, einer BR 193 „Vectron“ von Siemens.
Dieses Modell empfinde ich wirklich als etwas sehr Besonderes, da es in sehr flexiblen Mehrsystem-Ausführungen daher kommt und damit sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr grenz- und damit systemüberschreitend einsetzbar ist. Aber das nur am Rande, weil dies auf einige andere Modelle ebenfalls zutrifft.
Was mich wirklich in den Bann gezogen hat, ist die Ästhetik der Vectron. Sie sticht für mich prägnant aus der Masse der sonst eher langweiligen Bauformen von modernen Loks heraus. Ich freue mich wirklich jedes Mal, wenn ich eine solche irgendwo entdecke. Das führt zu ständigen kleinen Freudenhüpfern auf Bahnfahrten, da dieses Modell mittlerweile durchaus weit verbreitet ist.
Es gibt die Vectron bei vielen Firmen und entsprechend in allen Farben und Mustern, vom langweilen DB-rot bis zum auffälligen giftgrün von Flixtrain. Doch besonders angetan hat es mir die Vectron in der blau-weißen Lackierung der České dráhy, der tschechischen Staatsbahn, wie sie für die besagte Strecke genutzt wird. Perfekt macht den Gesamteindruck tatsächlich auch die einheitliche, ebenfalls blau-weiße Wagenlackierung:
Das Besondere an dieser Lackierung, die ich für sich genommen schon sehr gelungen finde, ist die Visualisierung der Strecke. Mittels Skyline-Silhoutten werden die vier verbundenen Städte gezeigt und benannt. Das habe ich so noch nie zuvor gesehen. Aber gerade diese Lackierung trug dazu bei, dass ich soetwas wie eine emotionale Verbindung zu der Lok aufgebaut habe, da sie mich stets an meine persönliche Verbindung zwischen Berlin und Dresden erinnert. Diese Lok zog mich buchstäblich durch meine Promotionszeit.
Da ich wirklich eine echte Freude beim Anblick dieses Zuges empfinde, entschied ich mich, mir zum Abschluss meiner Promotion ein Modell des Zuges zu schenken. Dabei war ich gar nicht auf eine klassische, elektrische Modellbahn fixiert, schon allein, weil ich weder dem Modellbahnhobby fröne und andererseits auch weiß, was entsprechende Modelle kosten. Ich brauchte ja eigentlicht nur das Äußere zum Hinstellen; die Elektronik, die die Modelle u.a. so teuer macht, benötige ich gar nicht. Doch es zeigte sich schnell: Modellzüge, ähnlich wie man sich vielleicht Modellautos oder -flugzeuge vorstellt, gibt es jenseits der vollständig funktionierenden, elektrischen Modellbahnen nur sehr eingeschränkt. Auf ein Kuriosum bin ich allerdings bei meinen Recherchen gestoßen, das ich euch nicht vorenthalten möchte:
Ich musste schnell einsehen, eine solche Lok musste ich also auf dem klassischen Modellbahnmarkt jagen. Und das erwies sich ebenfalls nicht als wirklich einfach. Vectrons gibt es zwar wie Sand am Meer in unterschiedlichsten Ausführungen bei allen gängigen Herstellern. Aber genau diese eine Lackierung war wirklich etwas Spezielles. Es zeigte sich irgendwann, dass die Firma L.S.Models einst eine kleine H0-Sonderedition mit der fraglichen Lackierung angeboten hatte, aber die war lange ausverkauft. Ich hatte vermutlich mit so ziemlich jedem Modellwarenladen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen und sogar mit einigen Läden in Übersee telefoniert. Aber alle signalisierten: Keine Chance.
Ein Kumpel gab mir den Tipp: Nerdforen. Ich brauchte ein dediziertes Forum für genau diesen Bereich und musste ein Gesuch absetzen. Aber ich müsse mich auch darauf gefasst machen, dass ich vermutlich den Preis zahlen müsste, der dann aufgerufen wurde. Und genau so war es. Nach wenigen Tagen hatte ich Glück und ich bekam tatsächlich ein Sammlerstück im Neuzustand angeboten. Perfekt.
Nun macht aber eine einzelne Lok noch keinen Zug. Und ich dachte darüber nach, woher ich nun entsprechende Wagen bekäme. Es war klar, dass eine vollständige Wagenreihung mit 7-8 Wagen plus Lok ein deutlich mehr als zwei Meter langes Regal benötigen würde, dazu unendlich teuer und eigentlich das Prunkstück, die Lok, in den Hintergrund drängen würde. Also entschied ich mich für nur zwei Wagen: Den 2.-Klasse-Abteilwagen, in dem ich immer gesessen hatte, sowie den Speisewagen. Letzterer war essentiell wichtig, da ich mit den Zugreisen eine Sache verbinde: Das Bier. Denn tatsächlich ist die Besonderheit dieses Zuges, dass er, im Gegensatz zu den allermeisten sonst in Deutschland verkehrenden Zügen, leckeres tschechisches Bier vom Fass an Bord hatte. Das durfte man sich einfach nicht entgehen lassen, zumindest nicht nach getaner Arbeit auf der jeweiligen Rücktour.
Es ist sicherlich unnötig zu erwähnen, dass nun genau diese Aufgabe die größte Hürde darstellte, denn den Speisewagen in H0-Größe gab es wieder nur in kleiner Sonderauflage von der Firma A.C.M.E. Aber ich fand erstaunlich schnell einen Anbieter in Italien, der mir diesen zukommen ließ. Und beim letzten Wagen hatte ich etwas Glück, denn der Typ, der mir die Lok verkauft hatte, informierte mich, dass der Hersteller Piko zufällig plante, diesen 2.-Klasse-Wagen zeitnah neu produzieren zu wollen. Und tatsächlich kam er mit einigen Monaten Verspätung, aber immerhin genau passend wenige Tage nach meinem Abschluss bei mir an. Ick freute mir nen Kullerkeks! Der Zug hängt nun über meinem Arbeitsplatz und er macht sich prima dort. Ich freu mich bei jedem Blick über den Monitor darüber.
Nun blieb nur noch die Kür. Natürlich hatte die Modelllok eine konkrete Zugnummer. Es handelt sich dabei um die 193 296, Taufname „Maxl“. Tatsächlich hatte ich schon einige Brüder gesehen und fotografiert, aber Maxl kam mir bislang noch nicht in Originalgröße unter. Wie toll wäre es denn aber, wenn ich nun auch noch genau diese eine konkrete, in meinem Arbeitszimmer hängende Lok einmal live sehen könnte? Ich nahm mir vor, in diesem neuen Jahr mal ein, zwei Tage an einem Bahnhof zu verbringen und zu schauen, ob sie denn mal zufällig vorbei käme. Aber auch hier hatte ich tatsächlich schnell Glück. Denn rechtzeitig zum Jahresabschluss, am 31.12., entdeckte ich Maxl rein zufällig in Berlin Südkreuz und konnte gerade noch rechtzeitig zur Abfahrt ein Foto machen. Toll!
Tja, und mit etwas Glück kann ich dieses Jahr vielleicht sogar mal im Lokführerstand von einem der zehn Geschwister mitfahren – zumindest arbeite ich gerade daran, mir diesen Wunsch auch noch zu erfüllen.
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