Ich glaube nicht daran, dass Demonstrationen etwas bewirken. Ich glaube nicht, dass in diesem Land in den letzten 20 Jahren wirklich jemand war, der sagte: „Oh, da stehen ein paar tausend Leute auf der Straße, dann überdenke ich mal meine eigene Meinung.“ Und ganz besonders kein Politiker. Der Glaube an dieses einzige demokratische Mittel des Volkes jenseits eines kleines Kreuzes alle vier Jahre ging bei mir damals nach der Freiheit statt Angst-Demonstration im Jahr 2008 mit 50-100.000 Teilnehmern verloren, nach der sich kein einziger der angesprochenen Politiker in irgendeiner Form geäußert hatte.
Dennoch standen wir heute auf der Straße. Nein, ich glaube nicht daran, dass irgendein Nazi oder Nazi-Wähler sein Verhalten überdenken wird. Ich wage auch zu behaupten, dass Politiker über pures Redenschwingen hinaus keine bedeutenden Aktionen zeigen werden.
Und dennoch standen wir heute auf der Straße. Es ging mir dabei um das Ohnmachtsgefühl. Das hilflose Zuschauen beim Erstarken des Faschismus. Die Verdammung zum Stillhalten, zur Akzeptanz des nicht Akzeptablen.
Wir standen heute auf der Straße. Mir ging es um das Gemeinschaftsgefühl. Mir ging es darum zu zeigen, dass es auch andere Menschen gibt. Es tat einfach nur gut zu sehen, dass man in der Ohnmacht nicht allein ist. Es war großartig zu sehen, dass viele Menschen aller Formen, Farben und jeden Alters friedlich für eine gemeinsame Sache zusammen stehen können.
Auf der Straße zu stehen war mir heute ein dringendes Bedürfnis. Auch wenn ich mir einhundert bessere Sachen vorstellen konnte, was man mit Kopfschmerzen an einem Sonntagnachmittag bei mittelmäßig gemütlichem Wetter tun könnte. Ich kann nicht viel gegen diese Naziseuche tun. Aber das Wenige wollte ich zumindest versucht haben.
Nur ungern will ich nach einem Katastrophenfall sagen müssen: „Ich habe nur Scrubs geguckt als andere wenigstens demonstriert haben.“
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