Ruminarium

Zurschausstellung meiner Grübeleien


Rotkäppchen vs. T-Rex

Wir sind ja immer wieder auf der Suche nach Spielen, die wir beide zu zweit spielen können. Und das ist durchaus kompliziert: Es darf nicht zu komplex sein, die Thematik muss irgendwie passen und es soll bitte nicht ausschließlich aus Zufallskomponenten bestehen.

Viele Spiele sind ausgeschrieben „ab 2 Spielern“. Aber das ist oft nur die halbe Wahrheit. Denn meist stellt sich heraus, dass man diese zwar theoretisch zu zweit spielen kann, aber der eigentliche Reiz eben erst dann entsteht, wenn mehr Personen beteiligt sind. Beispielweise wäre dann nicht mehr klar, bei wem welche der übrigen Karten liegen könnte oder wer bei einer zufälligen Reihenfolge jetzt wohl der nächste wäre, solche Sachen.

Ich bin vor wenigen Wochen über einen kleinen, aber extrem spannenden Spieleladen gestolpert, ganz bei uns um die Ecke, ohne ihn vorher jemals wirklich bewusst wahrgenommen zu haben. Keine Frage, die Chance musste man nutzen und so ging ich hinein und ließ mich mal wieder beraten. Es gab wieder unzählige Tipps – und unzählige Vorbehalte meinerseits. Fast beiläufig erwähnte der arme Kerl jedoch ein Spiel, das meine Aufmerksamkeit weckte. Erst nur am Rande, doch nach Ende der Tour kam ich darauf noch einmal zu sprechen – und kaufte im Anschluss tatsächlich für nicht gerade schmales Geld eine der vielen Boxen.

Unmatched ist nicht nur ein Spiel, sondern ein – sagen wir – Spielsystem. Die Grundregeln sind eigentlich ziemlich einfach: Es spielen 2 bis 4 Charaktere gegeneinander und wer zuletzt noch lebt, hat gewonnen. So kurz, so einfach. Der Reiz des Ganzen besteht darin, dass der Name Programm ist: Ein Spiel wird bewusst so gestaltet, dass die gespielten Charakter, im Gegensatz zu den meisten anderen Spielen, eben nicht balanciert sind. Mit anderen Worten: Es ist nicht sicher geklärt, dass man mit jedem Charakter immer eine faire Chance gegen einen anderen hat.

Wie geht das? Zuerst muss man sagen, dass die Grundidee der Charaktere darin besteht, dass er eine bereits existierende popkulturelle, mythologische oder ähnlich geartete Figur darstellt. Damit kann sich ein Spieler besser in diese hinein versetzen und vielleicht schon grob abschätzen, wie diese in einem Kampf gegen eine bestimmte andere abschneiden wird und welche Fähigkeiten sie mitbringen wird. Denn, das ist der Clou, jede Figur ist gänzlich anders zu spielen. Gesteuert wird die Figur rundenbasiert mit einem Set von Handkarten. Jedes Kartendeck ist dabei natürlich genau dem jeweiligen Charakter auf dem Leib geschneidert, wobei es allerdings immer drei Kartenarten gibt: Angriffs-, Verteidigungs- und Aktionskarten. Was da konkret drin steht und was diese bewirken, ist absolut unterschiedlich und basiert zumindest grob auf den Geschichten, Büchern oder Filmen des dargestellten Charakters. Manche Charaktere sind besonders stark, manche können sich gut verteidigen. Manche können fliegen, manche sind Fernkämpfer, manche können sich verwandeln und andere tauchen gleich im Rudel auf. Der spannende Teil ist, dass eine Fähigkeit, die gegen einen bestimmten Charakter der Schlüssel zu Sieg war, sich in einem neuen Kampf gegen einen anderen plötzlich als kompletter Nachteil herausstellen kann.

Unsere erste Box „Cobble & Fog“ enthielt beispielsweise Dracula, einen gewissen Dr. Jekyll, der zu Hyde mutieren kann, und Sherlock Holmes, der selbstverständlich nicht ohne seinen treuen Dr. Watson daher kommt. Wer möchte Wetten abgeben, wer hierbei wohl überlegen sein mag?

Da es ziemlich viele spannende Figuren in der Weltgeschichte gibt, gibt es entsprechend auch eine ganze Reihe von unterschiedlichsten Sets mit neuen, garantiert anders gearteten Figuren. Und sie bringen auch stets neue Spielfelder mit, die ihrerseits ebenfalls Besonderheiten aufweisen können, wie Geheimgänge, durch die nur bestimmte Figurenklassen hindurch passen oder Barrieren, die plötzlich den Weg verstellen können. Das Schöne ist, dass dies alles kompatibel zu einander ist und sich so eben immer neue Spielsituationen kreieren lassen. Auch verschiedene Franchises sind bereits aufgesprungen: Es lassen sich Jurassic Park-Sets ebenso erstehen wie diverse Marvel-Sets.

Und genau so entsteht die Möglichkeit, endlich einmal zu sehen, wer in einem Kampf zwischen dem mächtigen T-Rex, einer kleinen, aber definitiv nicht zu unterschätzenden Rotkäppchen, einem schwingenden Spiderman und einer totbringenden Medusa wohl als Sieger hervorgehen mag.

Und das Beste: Hat man denn endlich einmal alle offiziellen Möglichkeiten ausgeschöpft, dann gibt es mit Unmatched.cards eine inoffizielle Webseite, auf der Fans mittlerweile tausende von Eigenkreationen zur freien Verfügung gestellt haben – designte Kartendecks jedes nur erdenklichen Charakters. Einfach die gewünschte PDF mit den Karten herunterladen, ausdrucken und losspielen. Es finden sich wirklich kreative Ideen dort.

Wie wäre es denn zum Beispiel mit dem Kopflosen Reiter, der wahlweise auf seinem Pferd sitzt oder Tier und Reiter getrennt voneinander agieren lassen kann? Oder der Hexe Baby Yaga, die als Gefährten ihre auf einem Hühnerbein laufende Hütte mitbringt, die ihrerseits ein kleines, das eigentliche Spielbrett erweiternde Zone darstellt, die umherlaufen kann? Oder die Ninja Turtles, die natürlich gleich mal zu viert auftreten? Es bieten sich sich praktisch unbegrenzte Spielmöglichkeiten und immer wieder neue, spannende Konstellationen.

Der Zwang zum Finden immer neuer Strategien in jedem neuen Szenario ist der Grund, warum uns das Spiel so viel Spaß macht. Es kann nicht langweilig werden – weil es eben niemals das gleiche Spiel ist, ja genau genommen sind es nicht einmal die gleichen Regeln.

Und das Spiel macht tatsächlich zu zweit genauso viel Spaß wie zu dritt oder zu viert, hat genau den richtigen Grad an Komplexität und Zufall und ist damit endlich mal die perfekte Wahl für uns.



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