Als wir wieder das Auto erreichten, war die Sonne wieder in jener geringen Höhe, dass ihr goldfarbenes Licht die Umgebung abermals in dieses spezielle „Indian Summer“-Farbenspiel tauchte, das wir schon zu Beginn des Tages so lieben gelernt hatten. Es gab uns neuen Schwung und wir wollten zumindest die nächste Station noch anschauen. Diese entpuppte sich als weniger schwierig als wir befürchteten, aber als alte Eisenbahn-Freaks, die wir beide ja sind, konnten wir uns dennoch sehr darüber freuen. Und es war noch immer Licht da.
Wir versuchten es. Eine letzte Station sollte es noch geben und was sollte jetzt wohl schon noch passieren, dass wir die Tour nicht doch noch an diesem Tag beenden sollten? Die Sonne war nun gänzlich hinter den Bergen verschwunden und nur ein rötlicher Schimmer tauchte die neuerliche Landschaft in ein beeindruckendes Licht. Ich weiß wirklich nicht, wieso, doch abermals hatte ich sofort diese Gedanken an meine große Reise damals. Es gibt diesen einen kleinen Berg in Neuseeland, der wie aus dem nichts aus einem Flussbett aufragt. Dieser Berg ist bekannt dafür, dass darauf Edoras für den Herr der Ringe-Film erbaut wurde. Und genau daran erinnerte mich diese nächste Station. Es ist nun, glaube ich, gänzlich unnötig zu erwähnen, wie sehr ich hin und weg davon war. Ich freute mich auch, dass ich dort hoch kraxeln durfte, um dort noch einen kleine sparate Dose zu bergen.
Doch allzu viel Zeit konnten wir uns nicht mehr lassen. Die Dunkelheit nahm schneller zu als uns lieb war. Die Aufgaben wurden so schnell es ging erledigt. Nur eine einzige Aufgabe für Teil drei musste nun noch abgeschlossen werden. Dort vorn! Die Cartridge mahnte zur Vorsicht. Es würde wohl matschig werden. Pah, ich hatte meine gut geschnürten Bundeswehrstiefel an, was sollte mir hier schon passieren?
Ich lief einfach drauf los. Vor mir tat sich ein kleines Rinnsal auf, nicht mehr als ein, zwei Meter breit und nur wenige Zentimeter tief. Einfach durch da. Die ganze Ebene war im Grunde komplett trocken gewesen bisher, was sollte hier schon groß anders sein? Ich rief LupiMus hinter mir noch zu, wie gut man hier durchkäme – als mein Satz mir im Hals stecken blieb, genau wie der Stiefel im Schlamm.
Ich war völlig verdattert. Wie konnte sich innerhalb von nur einem einzigen Meter die Konsistenz des Bodens derartig ändern? Doch ja, ich sank ein. Mit einer Kraftanstrengung bekam ich den linken Fuß aus dem Morast gezogen. Doch der Preis war, dass ich dann mit voller Masse auf dem rechten stand und bis zum Knie einsank. Ich steckte unweigerlich fest. In einem Boden aus schwarzem Lehm. Nichts ging mehr.
Wegen der völligen Durchnässung früher am Tage trug ich bereits meine Zweitgarnitur, welche aus Thermounterhosen und Schlafanzughose bestand – alles Dinge die garantiert nicht wasserabweisend waren. Der Lehmschlamm drang durch bis unter die Haut. Und im Gegensatz zu vorhin schien diesmal auch keine Sonne mehr, um mich zu wärmen. LupiMus stand hinter mir, zu perplex, um irgendwas zu tun. Genau genommen konnte er auch nicht viel tun, da er sich sonst selbst in eine sehr ähnliche Lage gebracht hätte. Es wurde immer dunkler und ich stand da, in einer Schlafanzughose und festgebacken im schwarzen Lehm von Klein-Edoras.
Jegliches Ziehen an einem Fuß wurde damit bestraft, dass der andere tiefer einsank. So wurde das nichts. Ich setzte mich auf meinen durchnässten Hosenboden und fing an, zu graben. Die Hände waren das einzige mir verbliebene Werkzeug, denn die Füße konnte ich schon längst nicht mehr bewegen. Ich schaufelte gefühlte Kubikmeter Lehm weg, doch für jede Schaufel sackte unmittelbar eine halbe wieder nach. Hier musste es schnell gehen. Der Vorteil war, mir wurde dadurch nicht noch kälter. Irgendwann hatte ich mich bis zu den Stiefeln durchgegraben, aber noch immer war der Fuß absolut unbeweglich. Verdammte Bundeswehrstiefel. Wenn ich die nur nicht so gut geschnürt hätte, könnte ich da jetzt einfach raus schlüpfen, aber nun verklebte der Lehm auch die Schnürungen. Ich musste weiter graben und konnte letztlich sogar unter die Schuhsohle greifen. Doch auch hier gelang es mir nicht, den Fuß durch reines Ziehen zu befreien. Der Sog des nassen Lehms war einfach viel zu stark. Doch dann, mit vereinter Kraft aus Arm und Bein kam der Fuß frei. Oder das, was immer dieser Lehmklumpen am unteren Ende meines Körpers wohl darstellen sollte. Der andere Fuß löste sich glücklicher Weise ungleich einfacher. Ich machte nicht noch einmal den Fehler, direkt aufzustehen, sondern drehte mich auf den Bauch und robbte die wenigen Meter zurück aufs Festland, um dann dort in schallendes Gelächter auszubrechen. LupiMus verstand noch weniger als ich, warum ich eigentlich lachte, er war aber seinem Gesichtsausdruck nach definitiv extrem erleichert, nicht die Feuerwehr rufen zu müssen.
Der eigentlich richtige Weg zur letzten Station war letztlich so dermaßen simpel und trocken, dass das finale Abenteuer eben im Schlamm durch seine absolute Unnötigkeit ein Level an Lächerlichkeit erreichte, dass es kaum zu ertragen war – insbesondere wenn man die missachtete Warnung des Owners mit einbezieht. Aber was soll ich sagen? Es war ein spannendes Ende für einen absolut spannenden Tag!
An der letzten Station angekommen, wurden natürlich noch standesgemäße Fotos mit dem schwarzen Schlammmonster vom Edersee gemacht, bevor es dann endlich wieder zum Auto ging. Noch am Parkplatz zog ich mich bei nun vollständiger Dunkelheit splitternackt bis auf die Haut aus, die meisten meiner Klamotten inklusive der Stiefel wurden direkt in der vorhandenen Mülltonne entsorgt und ich war nun sehr dankbar, dass LupiMus mir vorhin an dem Sperrmauermodell nicht offenbarte, dass er ebenfalls noch eine Ersatzhose im Auto hatte, die mir nämlich nun gute Dienste erwies.
Es war jetzt zwar vollends dunkel geworden, doch ein fast perfekter Vollmond leuchtete uns den Weg zu den finalen Dosen, die wir uns nun auch redlich verdient hatten. Ich war an diesem Tag zweimal bis auf die Haut durchnässt worden und sollte wohl dringlicher als alles andere sofort unter eine warme Dusche kommen, doch das war mir jetzt egal. Wir waren Helden und als solche mussten wir einfach diesen letzten Weg gehen und die Dosen signieren!
Niemals werde ich dieses Erlebnis vergessen! Niemals werde ich diese tolle Landschaft vergessen! Ich danke dem Owner Barfussmann so unendlich für diese Gelegenheit. Dieser Tag war Geocaching at its very best! Hier wurden wahrhaftig Orte gezeigt, die mir sonst entgangen wären, hier wurden Abenteuer erlebt, über die man sonst höchstens lesen konnte. Was mehr würde man von einem Geocache erwarten können?
Schreibe einen Kommentar