Ruminarium

Zurschausstellung meiner Grübeleien


Hasta La Muerte (Pt. II)

Man geht nicht einfach zu Ephi. Man gibt ihr auch nicht vor, was sie tättowieren soll. Man wartet geduldig, bis sie mal wieder freie Termine in den Social Medias ankündigt – doch dann sollte man auf jeden Fall sehr schnell reagieren. Sollte man nun wirklich das Glück gehabt haben, den Termin auch wirklich zu ergattern, wartet man gespannt, was sie aus deiner ganz groben Motividee wirklich gezaubert haben wird – maximal eine Woche bevor du auf ihrem Tisch liegst.

Ich verfolge Ephi und ihre Kunst schon seit mehreren Jahren. Ich liebe ihre Art zu gestalten und bewundere ihre Fähigkeiten, diese Art auch noch auf Haut zu stechen. Deswegen war für mich klar: Wenn mal wieder ein Tattoo, dann von ihr.

Völlig unabhängig davon hatte sich vor einigen Jahren schon in meinem Kopf manifestiert: Meine Verbundenheit zu Die Toten Hosen wollte ich gerne persistieren. Zwar vergehen kaum zwei Tage, an denen ich nicht ein Sweatshirt oder ein T-Shirt der Band trage, doch das reichte mir irgendwann nicht mehr. Immer genauer schaute ich mich auf Konzerten um. Viele trugen mal mehr, mal weniger gelungene Embleme auf ihrem Körper: Symbole, Textzeilen und Zitate. Der neueste Trend ist, sich von Campino den Arm unterschreiben zu lassen, um dann zum nächsten Tättowierer zu rennen, damit der das dann fixieren kann. Auch komplexe Bilder finden sich zuweilen darunter, wobei für mich das eher schlechtere Ende des Spektrums Porträits darstellen, die als Tattoos quasi immer missraten wirken.

Inzwischen war ich auch in Argentinien dabei gewesen; wenn man so will, das Olympia der Hosen-Fans. Und genau so, wie sich viele Olympioniken die fünf Ringe stechen lassen, so lässt sich jenes südamerikanische Land häufig auf den Mitgereisten in irgendeiner Art finden. Dem wollte ich mich anschließen.

Noch immer blieb die Wahl nach dem Motiv. Doch dann sah ich eines Tages ein Tattoo, das mir nicht wirklich gefiel, mich aber sehr inspirierte. Im Jahre 2022, ich kam gerade mit einer noch nachwirkenden Lebensmittelvergiftung zum zweiten Mal aus Argentinien wieder, und lag unmittelbar im Anschluss mit einer leichten Corona-Infektion in Quarantäne, reproduzierte ich jenes erblickte Motiv – und verbesserte es, bis es mir grundsätzlich gefiel:

Die Idee, die Westgrenze des Landes in die Wirbelsäule des Knochenadlers übergehen zu lassen, erschien mir geradezu genial. Die Vorlage hatte diese Chance leider verpasst, was mich damals ad-hoc störte. Der Totenkopf ersetzte in meiner Version zudem die Sonne der argentinischen Flagge und getreu der Textzeile „‚Hasta la muerte‘ haben wir uns in unsere Haut geritzt.“ mussten diese drei Wörter zwangsläufig integriert werden.

Nur für Farbgestaltung hatte ich noch nie ein Händchen. Und hier kam Ephi ins Spiel. Niemand hatte ein passenderes Verständnis für Farben. Für Chaos. Für Punk.

Doch sie lehnte ab.

Man geht nicht einfach zu Ephi und sagt ihr, was sie zeichnen soll. Bilder nur zu kolorieren, das war nicht ihre Art. Das musste ich leider akzeptieren. Aber noch problematischer war, dass es eine neue EU-Verordnung für Tattoo-Farben gab, die so streng war, dass quasi sämtliche Farbtöne direkt in die Mülltonnen wandern mussten. Und dass es gerade für Blau keinen Ersatz auf dem Markt zu geben schien. Ephi bot deshalb nur gelbe und rote Tattoos an.

Doch wir hatten prinzipiell eine ganz gute Verbindung zueinander und so sagte sie mir zu, dass sie es sich dennoch überlegen würde, sollte es jemals wieder blaue Farben auf dem Markt geben.

Die Zeit verging, bis ich Mitte 2023 auf einmal eine Arbeit von ihr sah. Eine kleine nur, doch ja: Tatsächlich hatte sie einen Blauton verarbeitet. Als sie das nächste Mal freie Termine ankündigte, meldete ich mich sofort. Und sie sagte überraschend zu. Inklusive Blau-Kolorierung.

Bei dem Motiv selbst ging es ein bisschen hin und her. Sie wollte wirklich gern eine Ausnahme für mich machen und sich auf meine Vorlage einlassen. Ich wiederum gab ihr aber ziemlich freie Hand bei der Gestaltung und erklärte ihr lediglich die Bedeutungen der Elemente generell und deren Bedeutungen für mich im Speziellen. Sie versprach einen Entwurf sieben Tage vor dem vereinbarten Termin. Nur sieben Tage. Das war erst in sechs Monaten. Sieben Tage, um ein Motiv lieben zu lernen, das einen im Zweifel den Rest des Lebens begleiten würde. Sie machte das nur ausnahmsweise – normalerweise gibt es bei ihr nur ein oder zwei Tage Vorlauf.

Voller Ungeduld erwartete ich den Moment, an dem es dann endlich in meinem Postfach auftauchen würde. Und ich war augenblicklich verliebt:

Es war so viel besser, als ich es mir gewünscht hätte. So viel mehr Ephi, so viel mehr Punk. Und doch: So viel Die Toten Hosen, so viel Argentinien.

Verwundert war ich nur, wie nah sie am Ende doch an meiner Vorlage war, hatte ich ihr doch alle Freiheiten eingeräumt. Sie wäre schon zu sehr beeinflusst gewesen von meinem Entwurf, meinte sie. Aber das war in Ordnung. Für mich und offensichtlich auch für sie. Es konnte losgehen.

Die erste Session dauerte acht Stunden. Ich hatte vergessen, wie sehr das Stechen dann doch schmerzt. Immer geradeso aushaltbar und doch sehr anstrengend. Die Idee war ursprünglich, alles in einer Sitzung durchzuziehen, doch wir mussten abbrechen. Ich konnte nicht mehr. Ich brauchte eine Pause.

Nun, drei Monate und drei weitere anstrengende Stunden später, ist es endlich vollbracht. Ich präsentiere euch also voller Stolz und voller Dank:



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