Viel ist geschrieben worden über die Olympiade, viel ist gelobt und viel ist diskutiert worden. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – möchte ich selbst ein paar eigene, ganz persönliche Eindrücke festhalten.
Irgendwie habe ich schon immer Olympiade geschaut – mal mehr, mal weniger interessiert. Ich weiß noch, dass ich als Kind damals bei Oma und Opa im Garten eine Eröffnungszeremonie sehen durfte, aber an mehr erinnere ich mich nicht mehr wirklich. Nur dass dann im Fernsehen immerzu Sport lief, den ganzen Tag lang. Es langweilte mich. Vielleicht weil ich es als Kind nicht verstand. Vielleicht lag es aber auch an den Sportarten, die gezeigt wurden: Laufen, Springen, Reiten, Radfahren. Alles Disziplinen, die ich bis heute nicht wirklich interessant zu Schauen finde.
Dennoch gibt es bei mir immer mehr den Trend, Olympiade zu schauen. Es fing ganz leicht mit Sydney 2000 an, wo ich – damals selbst Schwimmer – den Weltklasseschwimmern mit den Unterwasseraufnahmen nah sein, deren Technik studieren konnte. Ich erinnere mich an die unfassbar grandiose Abschlussfeier von London 2012 mit dem Auftritt von Bryan May und der Projektion von Freddie Mercury. Aber vor allem erinnere ich mich an Rio 2016. Damals hatte ich das erste Mal wirklich so etwas wie ein Olympiafieber. Nach der Arbeit nach Hause, Fernseher an, wer spielt gerade, welche Disziplin wird heute gezeigt?
Plötzlich empfand ich es als interessant, zu sehen, wie die Welt zu diesem Ereignis zusammen kam, ich fand es spannend, neue Sportarten zu entdecken und mitzuerleben. Ich fand es super, dass es plötzlich Beachvolleyball im Fernsehen gab anstelle des immer gleichen, langweiligen, kommerziellen Fußballs oder der Tour de France. Während einer Olympiade lassen sich spannende Sachen entdecken und es lässt sich mitfiebern. Mit dem Underdog oder dem Rekordejäger. Oder beiden.
Entdeckungen von Paris 2024
Die Einführung der Kletterdisziplin in Tokio 2021 fanden wir großartig. Das war damals und war es dieses Mal auch ganz klar unser Favorit. Es ist spannend zu sehen, wie diese Sportart, die so viele Fähigkeiten in sich vereint, ausgeübt wird. Entsprechend toll fanden wir, dass es nun schon zwei unabhängige Wettkämpfe gab, anstelle nur der einen Ausscheidung in Tokio. Für mich ganz klar Topfavorit. Und sind wir mal ehrlich: Janja Garnbret ist einfach mal ein Monster an der Wand, oder? Wer würde sie nicht gern sehen, wie sie bei den Männern mitkletterte und den Herren allesamt in den Hintern treten würde?
Dieses Jahr war unsere – ja, wirklich: Unsere! – Entdeckung das 7er Rugby! Ja, wirklich! Das mag ein wenig mit unserer Neuseeland-Affinität zu tun haben, aber von dieser Sportart und ihren Athletinnen und Athleten waren wir tief beeindruckt und haben fast alle Übertragungen sehen können. Ich bin sicher, wenn wir mal in dem richtigen Land Urlaub machen werden, werden wir wohl ein Stadion aufsuchen. Go All Blacks!
Was ich zwar nicht wirklich intensiv geschaut habe, aber extrem beeindruckt gewesen bin, als ich kurz dort landete, war Rhythmische Sportgymnastik. Wow, einfach nur wow! Das ist wirklich sehr weit weg von allem, was ich damit bisher verbunden habe, insbesondere verglichen mit dem unbeholfenen Bändchengewedel, das ich von den Mädels aus der Schule kannte, und was wirklich jede und jeder hochgradig albern fand. Auch wenn ich mit der wohl notwendigen Attitüte der Athletinnen wirklich gar nicht klarkomme, aber die Aktionen da auf der Matte sind zum Teil spektakulär!
Ich hatte mal kurz ins neu einführte – und wohl beim nächsten Mal in LA schon wieder wegfallende – Breaking/Break Dance reingeschalten. Auch das ist schon spannend zu sehen, aber letztlich ist da mein eigenes Verständnis zu weit weg, um zu erkennen, wer da warum um wieviel besser war und als Laie wirkt das schnell alles ziemlich ähnlich bis gleich. Da dazu auch die Musik nicht wirklich meinen Geschmack trifft, konnte ich bei allem Respekt letztlich nicht wirklich lange dabei bleiben. Aber ich war überrascht zu sehen, dass Tanzsport generell (von Breaking eben abgesehen) nicht olympisch ist. Warum eigentlich nicht?
Ich bleibe dabei: Leichtathletik ist nicht meins. Ewig werden da Sportler bei ihren Vorbereitungen gezeigt und dann machen die ein paar Sekunden was und schon ist alles wieder vorbei. Und dann kommt wieder ein anderer, der sich ewig vorbereitet. Auch bei allem, was mit Langstrecken zu tun hat, wie Radfahren, Triathlon, Marathon, Langstreckenschwimmen, schalte ich in der Regel weg. Als Zuschauer wird mir bei den eintönigen Bewegungen einfach zu schnell langweilig.
Ein Kommentar zu den Kommentatoren
Sie waren für mich zum Teil die Kehrseite der sprichwörtlichen Medaille.
Das fing schon bei der Eröffnung an, bei der ich das Gefühl hatte, dass die Beiden einfach keine Lust hatten. Hier und da hätte ich mir wirklich ein paar Erklärungen gewünscht, ein paar Referenzen näher gebracht bekommen. Ich gehe beispielsweise nicht davon aus, dass jeder weiß, warum da mehrfach die Freiheitsstatue zu sehen war. Ich in dem Fall schon, aber dadurch frage ich mich: Was ist mir aus Unwissenheit wohl alles entgangen? Was zum Beispiel hatten die Minions in der Seine zu suchen?
Das Gegenteil war dann bei der Abschlusszeremonie der Fall. Ich fand es absolut unmöglich, wie mir der Moderator permanent erzählen musste, was als nächstes passieren würde, anstatt mir die Überraschung zu überlassen und es hinterher zu kommentieren. Muss denn das sein? Ich empfinde es auch als respektlos gegenüber den Künstlern und Künstlerinnen, mitten in dem jeweiligen Gesangsstücks reinzureden, anstelle es wirken zu lassen. Eine Erklärung kann man einfach auch zwei Minuten nachher machen. Davon abgesehen, waren manche Informationen auch eindeutig falsch. Kann man die Erfindung der olympische Spiele der Neuzeit im 18. (statt 19.) Jahrhundert noch als Versprecher hinnehmen, wurde im Hintergrund der Tom Cruise-Szene mitnichten RHCP’s Californication, sondern viel mehr By The Way gespielt. Die Liveperformance der Red Hot Chili Peppers war ebenfalls etwas anderes, nämlich Can’t Stop. Auch hier: Wenn ich selbst ein paar Dinge entdecke, wie kann ich dann sicher sein, dass die anderen Informationen, die ich nicht einschätzen kann, korrekt sind?
Abschließend möchte ich noch kurz auf die Berichterstattung über deutsche Athleten eingehen: Es ist absolut in Ordnung, die deutschen Teilnehmer einmal gesondert hervorzuheben und vorzustellen. Aber wenn es mehrere Wettkämpfe hintereinander kein anderes Thema gibt, als Lukas Märtens, dann – sorry, Lukas – habe ich dafür kein Verständnis. Insbesondere wenn der Athlet/die Athletin noch nicht einmal bei den gezeigten Wettkämpfen mitmacht, sondern erst viele Läufe später antreten würde. Die Olympiade bringt Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Da finde ich es respektlos, alle anderen – sogar die anderen Deutschen! – zu ignorieren und ebenso das Geschehen selbst, das eigentlich kommentiert werden sollte. Selbst wenn man sich auf den einen Athleten noch so freuen mag. Leider war das keine Ausnahme, sondern Standard in allen gesehen Wettkämpfen mit deutscher Beteiligung, auch zum Beispiel beim Klettern. Ich meine, möchte wirklich jemand, der ein Spiel A gegen B schaut, stattdessen permanent über D informiert werden?
Davon ab muss man aber klarstellen, dass insbesondere bei den Nischensportarten die Moderatoren und Experten spürbar kindische Freude dabei hatten, ihre Leidenschaft auf großer Bühne vorstellen zu dürfen. Und das hat im Grunde immer Spaß gemacht!
Fazit
Generell muss ich sagen, dass ich die Vielfalt der Sportarten wieder sehr genossen habe. Klar, man wird niemals alles mögen, jeder hat seine Favoriten, aber genau das macht Olympia für mich ein Stück weit aus. Es kommen Menschen mit ganz unterschiedlichen Vorlieben aus ganz unterschiedlichen Kulturen zusammen und genießen einfach gemeinsam die Zeit. Ich persönlich stehe auf der Seite, die sagt: Macht gern mehr, jede Sportart hat ihre Berechtigung und von mir aus kann gern jede noch so kleine Nischensportart bei Olympia ihren Platz und ihre Aufmerksamkeit bekommen – auch wenn ich natürlich weiß, dass das finanzielle und logistische Grenzen hat. Ich finde aber die Diskussionen darum, was beim nächsten Mal wohl wegfallen wird, ein Stück weit schade, denn aus meiner Sicht hat es jeder Mensch, der sich so sehr für seinen noch so absurden Sport, seine Art der Bewegung, seine Lebensfreude, verdient, seine kurzen Minuten Ruhm zu ernten und um eine so bedeutungsvolle Auszeichnung, wie die olympische Medaille mitkämpfen zu dürfen. Ich meine, was macht einen Standardtänzer weniger würdig als einen Break Dancer? Was einen Felsenkletterer weniger als einen Freiwasserschwimmer? Zu meiner Zeit als Ultimate Frisbee-Spieler gab es natürlich auch die berechtigte Diskussion: Wann wird Ultimate olympisch? Es gibt genug Teams und Nationalmannschaften auf der ganzen Welt und keinen Grund, warum das hinter einem 7er Rugby anstehen sollte.
Wenn ich allerdings entgegen dieser Einstellung doch Sportarten aussortieren müsste, wären es bei mir sämtliche Reitdisziplinen, denn ich denke wirklich, dass das für die Tiere absolut nicht artgerecht sein kann – schon allein, wenn man bedenkt, wie die teilweise über den halben Globus transportiert werden müssen. Und natürlich, alles, was mit Schießsport zu tun hat (beim Bogenschießen lasse ich mit mir diskutieren). Nicht nur ist es totlangweilig, dabei zuzusehen, es setzt meiner Meinung nach in Zeiten wie den unsrigen auch die falschen Zeichen, finde ich. Und das sage ich als passionierter Lasertag-Spieler, der sehr wohl die Pros und Contras kennt, einschätzen kann und tendenziell sogar auf der Pro-Seite steht.
Und eines muss man noch loswerden: Leben wir nicht in einer grandiosen Zeit, wenn man durch die zahllosen Livestreams die freie Wahl hat, welche Sportart man nun sehen will, anstatt zu hoffen, dass der eine Fernsehsender zufällig genau mal in das richtige Stadion schaltet? Wunderbar!
Paris 2024, es war mir ein Fest!
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